Geschichte des Obstbaus


Bodenkultur und Obstbau


Bodenkultur und Obstbau sind stets eng miteinander verbunden. Noch im 18. Jahrhundert glaubte man, dass Haustierzucht, Ackerbau und Obstbau im orientalischen Südwesten entstanden sind, d.h. in den fruchtbaren Gebieten südlich vom Kaspischen Meer. Man war der Annahme, dass von dort die gesamte Kultur zu den Völkern der Mittelmeerländer, den Griechen und den Römern kam. Durch diese Völker gingen die Kenntnisse über die Alpen zu den nördlichen Stämmen. Dennoch haben die Menschen in sehr weit auseinander gelegenen Gebieten zu verschiedenen Zeiten und unabhängig voneinander eine Entwicklung aus Jägern oder Hirten zu Ackerbauern vollzogen, wobei die Haustier- und Nutzpflanzenzucht von jeder Volksgemeinschaft selbstständig erfunden wurde. So fanden immer unterschiedliche Entwicklungen in unterschiedlichen Gebieten zu verschiedenen Zeiten und zu unterschiedlichen Bedingungen statt. Insofern ist es völlig natürlich, dass nebeneinander verschiedene Zentren und Stufen landwirtschaftlicher Kultur, verschiedene Haus- und Nutzpflanzenarten, die sich Anfangs in Abgeschlossenheit entwickelten, später in der Zeit der Völkerwanderungen vermischten und ihre Errungenschaften gegenseitig ergänzten. Dieser Zusammenstoß war auch der Anfang eines neuen Fortschritts in der Geschichte des Obstbaus. [Schulz, 1913]


Anfänge des Obstbaus


Die Entwicklung vom Wildobst bis zu den heutigen Kultursorten war ein langer Weg. Vorläufer der heutigen Wildobstarten gab es schon in der Kreidezeit und im Tertiär. Bereits vor 70 Millionen Jahren gab es in den tropischen und subtropischen Gebirgswäldern Südostasiens primitive Vorläufer der Wildäpfel. Aufgrund des warmen Klimas im Tertiär konnten sich die Gefäßpflanzen, zu denen der Apfel gehört, stark entfalten. Aus der Zeit des Oberpliozäns (3,8 – 2,5 Millionen Jahre) sind versteinerte Apfelkerne bekannt. Sie werden Malus fossilis (versteinerte Äpfel) genannt. [Hegele, 2007]
So fand man Abdrücke in Sauerwasserkalk von Äpfeln in Stuttgart-Untertürkheim, die ca. 120000 Jahre alt sind. Die kleinen Äpfelchen werden als Holzapfel bezeichnet und der Art Malus sylvestris zugeordnet. (sylvestris = wild, im Wald vorkommend). [Schweigert, 1991]
Unsere jungsteinzeitlichen Vorfahren (ca. 3000 – 1800 v. Chr.) sammelten Äpfel, Birnen, Pflaumen, Kirschen, Schlehen, Holunderbeeren, Haselnüsse und vieles mehr. Aus dem Fund einer Apfelfrucht aus dieser Zeit aus Gemarkung Heilbronn-Böckingen und anderen Funden, wie den sogenannten Pfahlbauäpfeln im Bodenseeraum, sowie bei den Seen im Schweizer Mittelland wird gefolgert, dass sowohl der Süßapfel (Malus pumila), als auch der Holzapfel (Malus sylvestris) schon in der mittleren Steinzeit (ca. 5000 Jahre v. Chr.) bei uns heimisch gewesen sind. [Winter/Jansen/Kennel/Link/Silbereisen, 1981]
Aus den Samen weggeworfener Fruchtreste wuchsen, ohne Zutun der Menschen, fruchttragende Bäume und Sträucher im Umfeld der Siedlungen. Natürlich handelte es sich hier um Sträucher mit recht ursprünglichen Formen, die am ehesten mit den heutigen Zierformen vergleichbar sind. Durch gezielte Auslese besonders wertvoller Früchte wurden diese gefördert, wodurch es allmählich zu einer Höherentwicklung der Wildobstarten kam. [Schermaul, 2004]
Halbierte Holzäpfel aus der Jüngeren Steinzeit zeigen, dass die Menschen die Wildäpfel nicht nur sammelten und frisch genossen, sondern sogar dörrten und als Vorrat für den Winter anlegten. Der Apfel ist auch die einzige Obstart mit unzweifelhaft deutschem Namen. Nach Grimm hieß er im Althochdeutschen „Aphul“. Kluge und Hoops heben hervor, dass der Name nicht dem lateinischen entlehnt, sondern altes Erbgut der nordeuropäischen Sprachen ist. [Bertsch, 1947]